In Sachsen-Anhalt studieren circa 54.000 Studierende an insgesamt zehn Hochschulen. Die größten Hochschulen im Land sind die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OvGU) und die Martin-Luther-Universität Halle (MLU). Der rechtliche Rahmen für die Hochschulen in Sachsen-Anhalt wird durch das Hochschulgesetz abgesteckt. Nach nunmehr fast zehn Jahren haben wir es auf 147 Seiten umfassend verändert. Damit modernisieren wir die Hochschullandschaft, schaffen attraktivere Studienbedingungen und stärken Sachsen-Anhalt als Wissenschaftsstandort.
Welche Verbesserungen gibt es für Studierende?
Für Studierende gibt es zahlreiche Verbesserungen. Endlich werden die Langzeitstudiengebühren abgeschafft. Bislang mussten Studierende in Sachsen-Anhalt bei Überschreitung der Regelstudienzeit von mehr als vier Semestern 500 Euro pro Semester zahlen. Das hat allerdings nicht dazu geführt, dass die Zahl der Langzeitstudierenden nachhaltig gesunken ist. Insbesondere Studierende, die im Bachelorstudium mehr Zeit brauchten, bekamen im Masterstudium Probleme, da die Regelstudienzeit von Bachelor und Master zusammengezählt wurde. Wir freuen uns, dass das Studieren mit finanziellem Damoklesschwert nun endlich vorbei ist.
Die Prüfungsunfähigkeit wird jetzt rechtssicher durch eine ärztliche Bescheinigung belegt und die viel diskutierte Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen gesetzlich klargestellt. Im Gesetz heißt es nun, dass grundsätzlich keine Anwesenheitspflicht für Lehrveranstaltungen gilt und Ausnahmen davon in der Prüfungsordnung begründet festgehalten werden müssen.
Zudem wird studieren in Sachsen-Anhalt durch das Recht auf ein bedingungsloses Teilzeitstudium flexibler. Damit reagiert das Hochschulgesetz auf die Realität vieler Studierender und kommt denjenigen entgegen, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, familiären Pflichten nachgehen oder berufsbegleitend studieren.
Mit dem neuen Hochschulgesetz wird die verbindliche Gültigkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auch auf die Statusgruppe der Studierenden ausgeweitet. Damit wird das Recht auf ein diskriminierungsfreies Studium gesetzlich untermauert und gestärkt.
Für Studierende, die sich in studentischen Zusammenschlüssen engagieren, wurde die Haftungsfrage bei Schadensersatzansprüchen Dritter gesetzlich genauer geregelt. Künftig dürfen Studierendenschaften entsprechende Versicherungen abschließen.
Der freie Zugang zu Wissen und Wissenschaft ist eines unserer obersten Ziele. Mit der neuen Open-Access-Regelung kommen wir einem unbeschränkten Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen in digitaler Form ein großes Stück näher.
Wie werden Promovierende unterstützt?
Wir wollen junge und kluge Köpfe an den hiesigen Hochschulen halten und ihnen bessere und planbarere Karrierewege in der Wissenschaft ermöglichen. Das Promotionsrecht wird auch an besonders forschungsstarke Fachbereiche an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) übertragen. Damit können Studierende nicht nur an Universitäten, sondern auch an einer HAW promovieren.
Künftig wird es eine von den Doktorandinnen und Doktoranden gewählte Promovierendenvertretung an Hochschulen geben. Zudem werden Hochschulen dazu verpflichtet, mit ihren Doktorandinnen und Doktoranden feste Promotionsvereinbarungen abzuschließen. Weiterhin muss die Bewertung einer Dissertation künftig nach spätestens sechs Monaten abgeschlossen sein. Diese Regelungen ermöglichen, dass Interessen von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern mehr Gehör finden und sorgen für mehr Verbindlichkeit an den Hochschulen.
Außerdem wurde die Option der Tenure-Track Professur verankert. Dabei geht es darum, nach einer befristeten Bewährungszeit, die Zusage für eine Lebenszeitprofessur zu erhalten.
Wie werden Frauen in der Wissenschaft gestärkt?
Wir wollen vermehrt Frauen in der Wissenschaft halten. Die oder der Gleichstellungsbeauftragte hat jetzt auch in der Berufungskommission ein Stimmrecht. Damit soll die Gleichstellung von Frauen bei der Besetzung von Professuren gestärkt werden. Zudem werden künftig Pflege- und Erziehungszeiten berufungsfördernd anerkannt. Um die Arbeitsfähigkeit der Gleichstellungsbeauftragten und die Wahrung all der mit diesem Amt zusammenhängenden Pflichten sicherzustellen, wurde den Hochschulen mit dem neuen Hochschulgesetz ein verbindlicher Orientierungsrahmen für die Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten gegeben.
Wie werden gesellschaftliches Engagement und nachhaltiges Handeln gestärkt?
Gesellschaftliches, soziales und kulturelles Engagement während des Studiums werden jetzt gefördert, denn sie sind im Gesetzestext berücksichtigt. Darüber hinaus sind Hochschulen nun dazu verpflichtet, einen Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt zu leisten. Dies bezieht sich insbesondere auch auf die Folgen und die Verbreitung ihrer Forschungsergebnisse.
Das Hochschulgesetz bekennt sich auch zum Tierschutz. So sind die Hochschulen künftig dazu angehalten, die Entwicklung von Materialien und Methoden zu fördern, die die Verwendung von lebenden oder eigens für Versuchszwecke getöteter Tiere verringern oder ersetzen. Darüber hinaus wurde eine Lanze für das Recht auf ein Studium ohne Tierversuche gebrochen. Prüfungsleistungen dürfen künftig auf Antrag ohne die Verwendung von eigens hierfür getöteten Tieren erbracht werden.
Richtlinien für gute Beschäftigungsbedingungen wurden geschaffen. Wie sehen sie aus?
Per Gesetz sind Hochschulen nun dazu verpflichtet, Rahmenvorgaben für gute Beschäftigungsbedingungen zu erlassen. Darin soll auf befristete und unbefristete Beschäftigungsverhältnisse ebenso eingegangen werden wie auf Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ein gutes Gesundheitsmanagement.
Auch eine Evaluierung ist dabei vorgesehen, die im Einvernehmen mit dem Personalrat für eine kontinuierliche Verbesserung und Anpassung an die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Hochschulen sorgt. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Abschaffung von prekären Arbeitsverhältnissen in der Wissenschaft.
Wie wird die Chancengleichheit beim Zugang zum Studium erweitert?
Mit dem neuen Hochschulgesetz gibt es mehr Durchlässigkeit der Bildungswege an Hochschulen und mehr Chancen für die Zulassung zum Studium. Der Weg wurde frei gemacht, um auch mit der Fachhochschulreife zu einem Studium an einer Uni zugelassen zu werden. Zudem können künftig Studierende aus anderen Bundesländern nach dem zweiten erfolgreich studierten Semester an eine Uni in Sachsen-Anhalt wechseln, auch wenn sie die notwendigen Zulassungsvoraussetzungen in Sachsen-Anhalt nicht erfüllen.
Studieren ohne Abitur, sondern mit beruflicher Qualifizierung ist in Sachsen-Anhalt bereits möglich gewesen. Konkrete Anhaltspunkte für entsprechende Regelungen an den Hochschulen, wurden aber jetzt verbindlich im Gesetz festgeschrieben.
Darüber hinaus wurde die Möglichkeit eines Orientierungsstudiums gesetzlich verankert und die Gasthörerschaft vereinfacht. So können Studieninteressierte, die sich noch nicht ganz sicher sind, ob und welches Studium für sie das Richtige ist, sich erst mal ausprobieren und dann in Ruhe entscheiden.
Das Landesstudienkolleg ist eine gemeinsame Einrichtung der MLU Halle und der Hochschule Anhalt. Es ermöglicht insbesondere Studierenden ausländischer Herkunft, eine Hochschulzulassung für das Studium an einer deutschen Hochschule zu erwerben und sich entsprechende Sprachkenntnisse anzueignen. Damit sorgt es für grenzübergreifende Bildungschancen und mehr Bildungsgerechtigkeit. Mit dem neuen Hochschulgesetz haben wir uns erneut zum Landesstudienkolleg bekannt. Außerdem haben wir dieAusbildungsqualität aller Studienkollegs in Sachsen-Anhalt durch eine Verordnungsermächtigung vor privatwirtschaftlichen Anbietern mit maßgeblich monetären Interessen geschützt.
Wodurch wird die Eigenständigkeit der Hochschulen gestärkt?
Die Autonomie der Hochschulen ist uns ein wichtiges Anliegen. Es war uns daher wichtig, die Entscheidungskompetenzen der Hochschulen auf Grundlage der demokratischen Strukturen vor Ort zu stärken. Da die eigene Entscheidungsmacht und damit zusammenhängende Schnelligkeit im Wettbewerb um die klügsten Köpfe einen besonderen Vorteil darstellen, haben wir das Berufungsrecht neuer Professorinnen und Professoren vollständig an die Hochschulen übertragen.
Zudem haben wir es geschafft, den Senat als wichtigstes demokratisches Gremium zu stärken. Künftig wird gemeinsam über den Hochschulstruktur- und den Hochschulentwicklungsplan, die Zielvereinbarungen und den Wirtschaftsplan entschieden. Darüber hinaus haben wir die zentral gesteuerten Stellenpläne abgeschafft. Die Hochschulen erhalten dadurch mehr Freiheit, um engagierten Mitarbeitenden eine bessere berufliche Perspektive an den Hochschulen ermöglichen zu können.
Hochschulen dürfen sich nun an wissenschaftsnahen Ausgründungen wirtschaftlich beteiligen. Was bringt das?
Durch verbesserte Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Beteiligung von Hochschulen an wissenschaftsnahen Ausgründungen erhoffen wir uns mehr wirtschaftliche Aktivitäten und eine steigende Zahl hochqualifizierter Arbeitsplätze im Land. Damit stärken wir den Wissenschaftsstandort Sachsen-Anhalt und legen einen Grundstein dafür, dass Studierende nicht nur kommen, sondern auch bleiben. Nach wie vor stehen im Mittelpunkt der Hochschulen jedoch die Aufgaben der Forschung und Lehre. Diese Schwerpunkte werden durch die wirtschaftliche Betätigung auch künftig nicht beschnitten.
Wie sind eigentlich die Verhandlungen zum neuen Gesetz gelaufen?
Während des Novellierungsprozesses stand unsere Fraktion im engen Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Mitarbeitenden und Studierenden der Hochschulen. So konnten wir durch das große Engagement und Interesse der Beteiligten viele weitere Änderungsvorschläge in die Verhandlungen einbringen, die die Lern- und Arbeitsbedingungen an unseren Hochschulen wirklich verbessern und Sachsen-Anhalt als Wissenschafts- und Hochschulstandort attraktiv machen. Von 2017 bis Januar 2020 liefen die Verhandlungsgespräche. Von September 2019 bis Mai 2020 befand sich das Gesetz offiziell im parlamentarischen Verfahren. Es wurde vom Landtag am 8. Mai 2020 beschlossen und wird damit die Wissenschaftslandschaft ab dem Wintersemester 2020/2021 umfassend verändern.
Das neue Hochschulgesetz wurde während der Corona-Pandemie verabschiedet. Wurden die neuen Begebenheiten darin berücksichtigt?
Ja, in Reaktion auf die aktuelle Pandemie-Lage haben wir noch Änderungen am Hochschulgesetz durchgeführt. So wird es künftig möglich sein, Gremiensitzungen an Hochschulen auch digital abzuhalten. Damit wird auch in der derzeit schwierigen Situation die Demokratie an Hochschulen gewahrt und gestärkt.
Gibt es trotz zahlreiche Verbesserungen Wermutstropfen?
Bei aller positiven Bilanz gibt es auch einen Wermutstropfen: die gescheiterte Einführung der Viertelparität an unseren Hochschulen. Mit der Viertelparität bekommen alle Statusgruppen, also Studierende, Professorinnen, wissenschaftliche Mitarbeiter sowie Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung gleich viele Sitze in den Hochschulgremien und damit die gleiche Anzahl von Stimmen. Diese Verteilung würde zu mehr Demokratie in unserer Hochschullandschaft führen und die Entscheidungen zur Gestaltung der jeweiligen Hochschulstandorte außerhalb der Bereiche Lehre und Forschung stark beeinflussen.